Wie bereits vergessene Erlebnisse Dich prägen
Eine Klientin, fünfzig Jahre alt, kam zu mir in die Praxis, weil sie ihre Beziehung zu ihrem Ehemann vertiefen wollte. Sie wusste aber nicht, wo sie was verändern kann. Ich nenne sie Heidi in diesem Fallbeispiel.
Heidi war bereits über zwanzig Jahre verheiratet. Sie hatte einen liebevollen Ehemann, aber sie selbst hatte immer wieder festgestellt, dass sie nicht so ganz zufrieden war in ihrer Ehe. Es fehlte ihr etwas in ihrer Beziehung zu ihrem Mann, aber sie konnte es nicht benennen. Alle Versuche, die sie bis jetzt in Richtung Lösungsfindung unternommen hatte, waren erfolglos geblieben.
Rückführung
Wir entschlossen uns bei Heidi mit einer Rückführung zu arbeiten, damit wir an Informationen kommen können, zu denen sie bis jetzt noch keinen Zugang hatte. Wir hatten die Hoffnung das diese Informationen ihr die Möglichkeit zu einer Veränderung in ihrer Angst vor Nähe ihrem Mann gegenüber bieten würden. So kamen wir an einen Teil in ihrem Leben hin, den Heidi bereits vergessen hatte. Heidi hatte früher Leistungssport betrieben. Sie war Mitglied in einer Leichtathletik-Mannschaft. Im Alter von vierzehn Jahren war sie von ihrem Sportverein aus in einer ihr unbekannten Stadt gefahren worden, in der sie an einem Wettkampf teilnahm. Es nahmen viele junge Mädchen an verschiedenen Wettkämpfen teil. Es ging laut und wild in den Wohnungen zu, in denen die Mädchen untergebracht waren.
Jedes Mädchen musste gut für sich selbst sorgen, wenn es nicht in dem ganzen Chaos untergehen wollte. Es gab auch einige Werbegeschenke die Heidi und ihre Kolleginnen geschenkt bekamen. Es waren Kleider und Schuhe die sie geschenkt bekamen. Jede durfte sich das Geschenk mitnehmen, das ihr passte und gefiel. Heidi gefielen Halstücher auf denen Flaggen von verschiedenen Ländern aufgedruckt waren. Sie wollte unbedingt einige dieser Tücher mitnehmen und hatte ein wenig bei dem Verteilen der Tücher geschummelt. Dann bekam sie auch zwei paar Turnschuhe zum Anprobieren und zwei Sporthosen.
Heidi konnte sich nicht wehren
Sie war so vertieft in der Auswahl ihrer Sachen, und war so sehr damit beschäftigt die richtige Auswahl zu treffen, dass sie sich die Sachen schnappte, und das Gebäude, in dem sie wohnte, ein wenig orientierungslos und gedankenverloren verließ. Sie wollte sich einen anderen ruhigen Ort suchen, an dem sie die Sachen anprobieren konnte. Also ging sie in ein anderes Gebäude hinein. Da war es genauso laut und unruhig wie in dem Gebäude, in dem sie selbst wohnte. Bis sie da einen vermeintlich ruhigen Ort zum Anprobieren fand und die Schuhe neben sich hinlegte, um sie anzuziehen, war das eine Paar Schuhe das sie neben sich hingestellt hatte bereits verschwunden.
Ein Mädchen hatte sie ihr geklaut. Sie war so außer sich, dass sie dem Mädchen hinterher lief. Die war aber schneller als sie. Da Heidi ihr einfach in ihrer Wut hinterher gelaufen war, bemerkte sie gar nicht, dass sie das Gelände, auf dem sie wohnte, verlassen hatte. Auf einmal war das Mädchen weg und Heidi stand alleine, in einer ihr unbekannten Gegend da. Sie versuchte den Weg zurück zu finden, aber in Wirklichkeit entfernte sie sich noch weiter weck von dem Ort, an dem sie wohnte. So umherirrend traf sie auf einen jungen Mann, der mit einem jüngeren Mädchen unterwegs war. Er fragte sie, ob er sie zu dem Sportzentrum zurückführen dürfte. Heidi war froh, dass sie jemanden in dieser verlassenen Gegend überhaupt begegnet war und stimmte zu. Sie folgte dem jungen Mann, der am Anfang auch einen freundlichen und hilfsbereiten Eindruck auf sie machte.
Da sie sich in der Gegend gar nicht auskannte, bemerkte sie überhaupt nicht, dass dieser junge Mann sie in eine ganz andere Richtung führte. Irgendwann als das Gebäude in dem sie wohnte nicht in Sicht kam, wurde Heidi unruhig. Leider war es dann zu spät, um noch weglaufen zu können. Der junge Mann zerrte sie in einen Hinterhof und tat ihr weh. Heidi konnte sich nicht wehren. Sie saß wie gelähmt in der Falle. Irgendwann ließ er sie laufen und sie kam spät abends wieder am Sportgelände an. Dieses schreckliche Erlebnis verschloss sie aus Scham so tief in sich, so dass sie sich bis zu dem Zeitpunkt an dem sie zu mir kam, nicht mehr daran erinnern konnte.
Heidi war in der Begegnung mit ihrem Mann blockiert
Jetzt verstand Heidi, warum wenn ein Mann ihr gegenüber in der intimen Begegnung zu fordernd war, sie sofort blockierte. Noch schwerer wurde es ihr sich zu öffnen, wenn sich ihre Tochter in der Nähe befand. Dann ging erst recht nichts mehr. Aufgrund des alten Erlebnisses welches in ihr tief vergraben und vergessen war, reagierte sie auf Mädchen in ihrer Nähe mit Erstarrung. Durch die Rückführung konnte Heidi dieses Erlebnis in sich erlösen und aufarbeiten. Sie konnte ihre Angst vor Nähe anders einordnen und einen neuen Umgang mit sich selbst finden. Aus diesem Erlebnis heraus habe ich erkannt, wie wichtig unsere Ängste sind. Sie weisen uns immer in eine Richtung in unserem Leben, die es sich lohnt anzusehen. Jeder Weg der Befreiung ist ein neuer Weg, den wir in unserem Leben beschreiten können und den wir für uns nutzen dürfen.
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